Die Stadt reparieren

August 2022

Der Experte

Sylvain Grisot

Sylvain Grisot

Urban planner
Founder of dixit.net

 

Eine offensichtliche Feststellung stellt sich in den Vordergrund: Die Umgestaltung der Stadt muss sich um die ökologischen Herausforderungen drehen. Erinnern wir uns daran, dass die Wende jetzt kommen muss, mit Zielen zur Reduzierung des CO2-Fußabdrucks, zu denen alle Produzenten in der Stadt beitragen müssen. Und wir alle sind auf unserer individuellen Ebene Mitwirkende. Die Stadt muss von allen und für alle gestaltet werden, in einer Logik der Gemeinsamkeit, während die Gegensätzlichkeiten unter den verschiedenen Interessengruppen oft noch stark sind.

Aber 80 % der Stadt der Zukunft sind bereits da, und die Fabrik der Stadt liegt daher vor allem in der Anpassung an die Herausforderungen der Zukunft.
Ja, die Stadt auf der Stadt zu errichten stellt zweifellos das Ende der „einfachen“ Stadt dar, in der Zerstörung und Wiederaufbau vorherrschen. Wenn man eine Stadt erbaut, muss man an lange Zyklen denken, fast in einer vermögensrechtlichen Dimension, und aus diesem Grund muss man von einer kurzfristigen Sicht des Bauens wegkommen. Nachhaltigkeit und Anpassungsfähigkeit müssen vorherrschen, mit der Idee, dass das Hauptthema nicht nur technischer Art ist, da es in Wirklichkeit eher in den menschlichen Bereich fällt. Wir besitzen zwar die technischen Fähigkeiten, um die Stadt im Rahmen eines kurzfristigen Ansatzes zu gestalten, aber langfristiges Denken ist weitaus anspruchsvoller. Dies bedeutet nämlich, dass man sich mit weniger standardisierten, weniger leicht erfassbaren Immobilienobjekten befassen und folglich komplexere Projekte akzeptieren muss. Dies erfordert zweifelsohne mehr Grips, führt aber auch dazu, dass die Stadt durch Kontinuität und weniger durch Brüche geschaffen wird: Die Stadt der Zukunft ist in erster Linie die Stadt der Vergangenheit. Dies ist eine wahre Chance, unsere Vorgehensweisen zu ändern und die Stadt reparabel zu machen, d. h. fähig, sich in einen Prozess der kontinuierlichen Verbesserung auf der Grundlage des bereits Vorhandenen einzufügen. In Wirklichkeit ist dies nur eine Frage des gesunden Menschenverstandes, wenn man bedenkt, dass jedes Gebäude mehrere Leben haben kann. Und da es um den gesunden Menschenverstand geht, haben wir diese absolut notwendige Wende selbst in der Hand.

Die Stadt auf der Grundlage von dem zu erdenken, was sie bereits ist, ist übrigens nicht auf Stadtzentren beschränkt. Nehmen wir in der Tat das Beispiel der Periurbanisierung, die wegen ihres Raumverbrauchs und ihrer Produktion im Prisma des Automobils weithin kritisiert wird. Die Periurbanisierung ist trotz aller berechtigten Kritik bereits da. Aufgrund der sehr hohen Dichte der Stadtzentren kann der gesunde Menschenverstand also dazu auffordern, die zukünftige Stadtproduktion aus dem bestehenden Vorstadtgebiet zu weben, indem man es seinerseits verdichtet, anstatt mit der Zersiedelung fortzufahren. Das Vorstadtgebiet profitiert von der gesamten Infrastruktur, die für die Fortsetzung der Produktion auf seinem Gebiet erforderlich ist. Es ist ein hervorragendes Beispiel dafür, dass die Stadtproduktion der Zukunft von der Stadt von heute aus neu erdacht werden muss. Die Vorstadtgebiete der Vergangenheit sind im Übrigen oft die Polaritäten von heute. In ihrer Gesamtheit betrachtet, könnte man sagen, dass diese Überlegung zu einer anderen Betrachtung der gesamten Raumplanung als durch „geplante Obsoleszenz“ führt. Dies steht im Übrigen im Zusammenhang mit der Frage des sparsamen Umgangs mit Grund und Boden, was eine absolut unumgängliche Grundlage für Überlegungen werden muss, da es ja darum geht, das bestehende Gefüge zu optimieren, ohne Neues zu produzieren.

Wenn man noch weiter als bis zum Vorstadtgebiet geht und auf dem Land ankommt, dabei aber den gesunden Menschenverstand im Auge behält, muss man feststellen, welches Potenzial landwirtschaftliche Ressourcen für Baumaterialien haben. Man kann aus dem Ländlichen etwas Urbanes produzieren! Einen Teil der Stadt der Zukunft aus dem ländlichen Raum heraus zu produzieren, ist eine erfreuliche Aussicht, denn dies ist vielleicht einer der Wege zurück zum Einklang mit der Natur, was eine starke Forderung der heutigen Stadtbewohner zu sein scheint. Hören wir also auf zu denken, dass andere an unserer Stelle handeln können, denn jeder von uns kann sich daran beteiligen, die Stadt zu reparieren, d. h. sie nach der gängigen Definition wieder in Ordnung zu bringen. Seien wir optimistisch: Die Reparatur der Stadt ist möglich, wenn wir uns gemeinsam des Themas mit einer Änderung der Vorgehensweisen und der Denkweise annehmen. Dies erfordert die Mitarbeit aller, aber es ist wohl diese Wertschöpfung, die uns am stärksten anregt.

Erscheinungsdatum : August 2022

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Occupational psychologist and teacher-researcher
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Lise Bourdeau-Lepage

Doctorate in economics
Lecturer and researcher in geography at the University of Lyon 3
Researcher at the UMR Environment, City, Society
President of the ASRDLF