ProspeKtive

Das geschlossene Einzelbüro: Dinosaurier oder Phönix?

Juni 2022

Der Experte

Marc Bertier

Marc Bertier

Workplace Strategy Expert

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mbertier@kardham.com

Nachdem die Einzelbüros abgeschafft wurden, entdeckt man in den Arbeitsumgebungen einer Reihe von Großnutzern wieder Räume, die wie ... Einzelbüros aussehen. Die Umfrage Mon bureau post-confinement III (dt. mein Büro nach dem Lockdown III) (bei 1.868 Personen, April 2021) des Lehrstuhls ESSEC Workplace Management zeigt übrigens, dass 63 % der Befragten lieber in einem geschlossenen Einzel- oder Gemeinschaftsbüro arbeiten würden. Was ist also vom Einzelbüro zu halten?

Wenn die Soziologin Danièle Linhart die aktuelle Entwicklung der Arbeitsweisen (die new ways of working/NWOW) analysiert, verknüpft sie die Debatte über die Arbeitsumgebung mit der Debatte über die neuen Arbeitsorganisationen. Ihrer Meinung nach würde die Abschaffung der Büros (nach der Abschaffung der Sekretären) eher ein Zur-Ordnung-Rufen der Führungskräfte bedeuten; es ginge darum, ihnen klarzumachen, dass sie sich wie alle Mitarbeiter an Verfahren und Protokolle halten müssten. Das Einzelbüro wäre also ein Zeichen für einen Kampf um Autonomie.

In den Modellen der Arbeitsumgebung, die in den 1990er Jahren von Frank Duffy entwickelt wurden, galt: Je selbständiger und interaktiver die Beschäftigten waren, desto mehr sollten ihre Arbeitsräume geteilt sein; korrelativ dazu entsprach einer selbständigen und einsamen Arbeit eher ein Einzelbüro. In diesem Sinne sollte ein knowledge worker (selbstständiger Arbeiter, der abstraktes Wissen nutzt) ein Büro haben, ein Manager nicht. In einem NWOW-Ansatz hingegen geht die Arbeitsplatzteilung mit einer Zunahme der Freiheit des Einzelnen einher, der frei ist zu arbeiten, wann und wo er will, solange dies in dynamischen Umgebungen geschieht. Manager, die viel Zeit mit Interaktionen verbringen, würden daher eher als knowledge worker ein Einzelbüro oder einen geschlossenen Besprechungsraum verlangen können. Um die Angelegenheit noch komplizierter zu gestalten, zeigen verschiedene Studien, dass diejenigen, die dynamische Umgebungen am meisten schätzen, die mobilsten sind, d. h. eher Manager und Projektleiter, die von einem Meeting zum nächsten gehen, was bei knowledge workers, die statischer sind und sich auf grundlegende Aufgaben konzentrieren, nicht der Fall ist.

Die Definition des Arbeitsbereichs scheint also nicht nur von Kriterien abzuhängen, die aus dieser Rationalität stammen. Selbständigkeit, Mobilität und Interaktion sind unzureichende Indikatoren. An dieser Stelle ist also eine Erinnerung an die Argumente beider Seiten angebracht. Auf der Seite „pro Einzelbüro“ werden am häufigsten folgende Vorteile genannt: Konzentrationsmöglichkeit, Gefühl der Intimität, des Wohlbefindens (vor allem, weil man sich dem Blick des anderen entziehen kann), Aneignung des Raumes, kein Gefühl der Austauschbarkeit. Hinzu kommt, dass das Verankern erleichtert wird, da derjenige, der Sie sucht, weiß, wo er Sie finden kann. Schließlich ist ein Büro ein greifbarer Beweis für den Erfolg.

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Edward Hopper malte Conference at night im Jahr 1949, als Besprechungsräume noch nicht von den Managern privatisiert wurden, die sich nach Einzelbüros sehnten.

 

Auf der Seite „kontra Einzelbüro“ wird argumentiert, dass diese Art von Raum: hauptsächlich ein archaisches Zeichen für altmodische Arbeit sei, um nicht zu sagen „wie Papa“; gestalten nicht zahlreiche Manager freiwillig ihr Büro in einen für das ganze Team offenen Kreativitätsraum um, um ihre Modernität zu zeigen? Wieder andere möchten lieber auf ihr Büro verzichten und genauso behandelt werden wie ihre Teams. Auch für Flächenmanager sind Einzelbüros und ihre Codes oft ein Problem: Die Nutzer wehren sich in der Regel dagegen, bei Umorganisationen umzuziehen oder wenn geschlossene Büros aufgelöst werden, um Platz für neue Mitarbeiter zu schaffen; bei Beförderungswellen fehlt es manchmal an Fenstern, um neue zu schaffen; das Einzelbüro ist ein Hindernis für die Kostenoptimierung durch Verdichtung. Das Einzelbüro bedarf in der Tat eine große Fläche, denn es beansprucht im Durchschnitt etwa 15 m² Nutzfläche (pro Person); durch das Teilen der Arbeitsplätze und das Zurückgreifen auf Telearbeit an zwei oder drei Tagen pro Woche kann diese Zahl jedoch leicht halbiert werden.

Der Trend zur Abschaffung von Einzelbüros ist also nicht in erster Linie auf die Telearbeit zurückzuführen; er geht vielmehr mit dem Aufkommen der NWOW und ihrer räumlichen Begleiterscheinung, der dynamischen Umgebung, einher. Ab Anfang der 2010er Jahre begannen die Unternehmen, die Zahl der Einzelbüros zu begrenzen, indem sie beispielsweise eine Obergrenze festlegten (z. B. nicht mehr als 10 % der Arbeitsplätze in Einzelbüros), die nach und nach gesenkt wurde, bis schließlich die vollständige Abschaffung angestrebt wurde. Diese Art von Politik hat ziemlich gut funktioniert, insbesondere für Berufe, die direkt mit der Produktion verbunden sind (Technik, Vertriebsteams usw.). In den Firmenzentralen war das Thema oftmals heikler. Für Führungskräfte wurden neue Raumtypologien geschaffen, die manchmal von den Lounges der ersten Klasse eines Flughafens inspiriert sind. Aber auch die mitarbeiternahen Manager mussten sich damit abfinden, inmitten ihrer Teams zu arbeiten. Für die Manager von Managern war das Thema oftmals kniffliger. Einige haben, mehr oder weniger offiziell, Besprechungsräume privatisiert. Die Mitarbeiter erhielten dann eine oftmals gekünstelte E-Mail von ihrem drei Ebenen über ihnen stehenden Manager, in der sie darauf hingewiesen wurden, dass Raum 3.47 künftig für ihre Nutzung reserviert sei.

Heute könnte also jeder berechtigt sein, ein Einzelbüro zu verlangen, aber das war nicht immer der Fall. Früher wurden die Beschäftigten in oftmals großen Räumen zusammengebracht, wo sie unter der Aufsicht eines Vorarbeiters arbeiteten. Die privaten Büros waren Ingenieuren und Mitgliedern der Geschäftsleitung vorbehalten, d. h. denjenigen, die über die Arbeit und die Art und Weise, wie man arbeitet, nachdachten. Diese beiden Gruppen gehören in Frankreich zur großen Kategorie der Führungskräfte (in bestimmten Kreisen, wie z. B. im Krankenhaus, hört man manchmal noch : „Meine Führungskraft hat mir gesagt, dass ...“). Für das INSEE umfasst die Kategorie der Führungskräfte alle Arbeitnehmer, die ein sehr fundiertes Wissen anwenden oder der Welt der Künste und Medien angehören. Sie sind also mehr oder weniger knowledge workers. Diese Kategorie umfasst auch Arbeitnehmer, die wichtige Verantwortung in der Unternehmensführung tragen, insbesondere weil sie andere Personen anleiten (was wir gemeinhin als Manager bezeichnen). Um die Zahl der potenziellen Anspruchsberechtigten für das Einzelbüro zu ermitteln, müssen daher die Führungskräfte und Manager in den Unternehmen und der Verwaltung quantifiziert werden. Die erste Aufgabe besteht darin, den Anteil der Führungskräfte in Dienstleistungsunternehmen zu bestimmen. Hierzu kann eine Studie der Direction régionale et interdépartementale de l'environnement, de l'aménagement (DRIEA, Umweltministerium) aus dem Jahr 2020 herangezogen werden, in der die Berufe und sozioprofessionellen Kategorien (PCS) danach eingestuft werden, ob es sich um Büroarbeit handelt oder nicht. Durch einen Abgleich mit den Daten des INSEE kann man feststellen, dass der Anteil der Führungskräfte stetig steigt. Sie machen 2019 fast 54 % der Büroarbeiter aus, gegenüber 30,5 % im Jahr 1989, was einem Wachstum von 77 % in 30 Jahren entspricht.

Den Anteil der Manager in Büroberufen zu bestimmen, ist noch schwieriger. Zwei Studien versuchen, diese Gruppe zu quantifizieren. Die erste, die von der APEC durchgeführt wurde, zeigt, dass 45 % der Führungskräfte direkte Vorgesetzte (oder Manager) sind, 22 % ein Projektteam leiten und 33 % keine Führungsverantwortung haben. Die zweite, von Opinion Way durchgeführte Studie steigert die Komplexität der Schätzung der Anzahl von Managern weiter, indem sie darauf hinweist, dass ein Viertel der Manager Manager von Managern sind. Sie erwähnt auch, dass 59 % der Manager keine Führungskräfte sind.

Durch die Kombination der drei Quellen lässt sich abschätzen, dass in einem „durchschnittlichen“ Unternehmen des Dienstleistungssektors 54 % der Mitarbeiter Führungskräfte sind, die sich aufteilen in: 18 % operative Führungskräfte / knowledge workers; 12 % Führungskräfte, die Projektmanager sind; 24 % Führungskräfte, die Manager sind, davon 6 % Manager von Managern (davon 2 % Unternehmensleiter). Um dieser Vielfalt an Situationen gerecht zu werden, kann die Festlegung von Regeln für die Zuweisung von Einzelbüros eine konfliktvermeidende Lösung sein.

Für einige sollte noch ein Schlüsselelement für die Umsetzung der Veränderung und ihre spätere reibungslose Funktionsweise hinzugefügt werden: die Vorbildfunktion des Managements. Unabhängig von ihrer persönlichen Position sollten Manager und Leiter mit gutem Beispiel vorangehen, um die Akzeptanz des Projekts zu erleichtern und es in manchen Fällen sogar zu retten. Die Vorbildfunktion des Managements ist „die Fähigkeit eines Vorgesetzten, die Forderungen, die er an die ihm direkt unterstellten Mitarbeiter stellt, persönlich umzusetzen“. Es ist eine Demonstration durch die Haltungen und Verfahren, die jeder annehmen sollte, um eine gute Arbeitsorganisation zu gewährleisten, die Leistung zu steigern und den Teamzusammenhalt zu fördern.

Studien (insbesondere aus dem Bereich der Sozialpsychologie), die das Verhalten von Mitarbeitern nach dem Grad der Vorbildfunktion ihrer Manager bewerten, belegen, dass das Vertrauen der Mitarbeiter steigt, je vorbildlicher die Manager handeln. Umgekehrt steigert ein Mangel an Vorbildfunktion das Misstrauen und den Zynismus gegenüber dem Unternehmen und verringert die Mobilisierungsfähigkeit bei organisatorischen Veränderungen. Daher ist es wünschenswert, dass Führungskräfte und Manager mit gutem Beispiel vorangehen, wenn ein neues Arbeitsumfeld eingeführt wird. Aber setzt dies voraus, dass für alle die gleichen Regeln gelten, die auf dem Dreiklang von Selbständigkeit, Mobilität und Interaktion beruhen? Wie lassen sich die wesentlichen Rollen der Verkörperung und des Orientierungspunkts integrieren?

Die Vorbildlichkeit birgt die Schwierigkeit, dass es sich um eine wahrgenommene persönliche Eigenschaft handelt. Manche werden sich in der Vorbereitungsphase des Projekts beispielhaft zeigen, ihr Verhalten aber nicht ändern, sobald die neue Umgebung eingeführt wurde. Einige wenige werden das Gegenteil tun und das Image, das sie von sich selbst vermitteln wollen, beibehalten. Wenn die Vorbildfunktion nicht vom Unternehmen aus ethischer und moralischer Sicht definiert wird, wird sie jeder nach seinem eigenen Verständnis auslegen. Die Vorbildfunktion ist daher vor allem in Zeiten des Wandels (des Kontexts und der Akteure, insbesondere durch Zu- und Abgänge) ein anfälliges Konzept. Nach der Einführung des Projekts versäumen es die Unternehmen häufig, Ethik-Beauftragte zu ernennen, die bei abweichendem Verhalten eingreifen können (wie im Fall von Raum 3.47), und ein Handbuch mit bewährten Praktiken und Verhaltensweisen zu verfassen, um diese den Neueinstellungen direkt zu vermitteln.

Zu den guten Gründen für die Wiedereinführung eines Büroersatzes in Arbeitsumgebungen gehört schließlich auch die Möglichkeit, sich einen Ort anzueignen und sich einen schützenden Kokon für schlechte wie für gute Tage zu schaffen. Büros, die zu Teamräumen werden, unterstützen nicht nur die interaktive Arbeit, sondern bieten auch die Möglichkeit, Fotos des Teams aufzuhängen oder ein Ereignis zu feiern. Sie sind Orientierungspunkte, Orte des Zusammentreffens und der gemeinsamen Momente. Es müssen nicht unbedingt große Räume sein; sie sollten nur die Möglichkeit bieten, die Mitglieder eines eingespielten Teams zusammenzubringen. Bleibt noch die Frage nach der richtigen Anzahl dieser Räume und der Gewährleistung der Vorbildfunktion der Manager, um ihre ordnungsgemäße Funktionsweise sicherzustellen.

In solche Räume zu investieren, stellt die Bestimmung des Arbeitsplatzes in Frage: Ort der Begegnung, der Sozialisierung, haben Sie gesagt?

 


UM WEITER ZU GEHEN

  • Danièle Linhart, L’insupportable subordination des salariés, Éditions Érès, 2021
  • APEC, Compétences attendues chez les cadres, apec.fr, 2019
  • Léa Zhe Wang, L’impact de l’exemplarité managériale sur l’acceptation du changement organisationnel, cref. parisnanterre.fr, 2017
  • Valérie Melin et Théophile Plée, Former à l’exemplarité : outil managérial ou préoccupation éthique ?, Revue d’histoire et de prospective du management, cepn.univ-paris13.fr, 2018
  • OpinionWay pour la Maison du Management, L’état de l’art du management en France, opinion-way.com, 2017

Erscheinungsdatum : Juni 2022

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