ProspeKtive

Die Arbeitsumgebung überdenken: Das 3P-Konzept

September 2022

Der Experte

Marc Bertier

Marc Bertier

Workplace Strategy Expert

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mbertier@kardham.com

In einer Welt, die sich abrupt verändert, scheint die Utopie nahezuliegen, dass die Entwicklung der Arbeitsumgebungen und das 3P-Konzept (People, Planet, Profit) einen geeigneten Überlegungsrahmen darstellen könnten. People (Menschen) befasst sich mit der menschlichen Entwicklung: Werte, Lebensbedingungen, Bildung oder Auswirkungen auf die Gemeinschaften. Planet misst die Auswirkungen von Aktivitäten auf die natürlichen Ressourcen, die Umweltverschmutzung und die biologische Vielfalt. Profit umfasst Begriffe wie Wertschöpfung und Gewinn.

Eine der größten Herausforderungen im People-Teil ist der Umgang mit verschiedenen zeitlichen Dimensionen. Dies äußert sich in einer Überlegung über den Lebens- und Arbeitsrhythmus und deren synchronen Ablauf. Diese Überlegung findet sowohl bezüglich kurzen als auch langen Zeiträumen (Woche, Monat, Jahr oder sogar Jahrzehnt) statt. Die Beiträge der kognitiven Wissenschaften haben das Verständnis unseres Verhältnisses zur Arbeit erschüttert: Konzentration, Ablenkungen und Unterbrechungen, Multitasking, Lernen, Informationsmanagement usw. Digitale Werkzeuge werden oft als Hauptfaktor für diese Erschütterung angesehen, sie sind jedoch nur die Ursache. Wir bleiben für ihre Gestaltung und ihre Nutzung verantwortlich. Die Freisetzung von Dopamin (ein Neurotransmitter, der die Motivation, Produktivität und Konzentration beeinflusst) ist daher einer der ersten Parameter, die die Qualität des Arbeitserlebnisses beeinflussen.

Ein in Großbritannien durchgeführtes Experiment mit einer Viertagewoche ist in dieser Hinsicht interessant und sollte genau beobachtet werden. Die Höchstarbeitszeit von 48 Stunden würde fast auf unsere 35 Stunden zurückgehen. Weitere Ähnlichkeiten mit dem frz. Aubry-Gesetz aus dem Jahr 2000: bessere Aufteilung der Arbeitszeit, Schaffung von Arbeitsplätzen, Verbesserung der Lebensbedingungen. Die Franzosen, die hiervon träumen, sollten sich daran erinnern, dass sie bei einem Vertrag mit 39 Stunden pro Woche 0,5 RTT (frz. Gleitzeittag) pro Woche (oder 2 pro Monat) sammeln. Mit anderen Worten: Wir könnten bereits Viereinhalbtagewochen haben. Dennoch wird dies kaum in Anspruch genommen, denn das Arbeitszeitmanagement wirkt sich auf die Eingliederung und die Gruppenzugehörigkeit aus, wie Beschäftigte mit 3/5- oder 4/5-Teilzeitverträgen aussagen. Arbeitszeit, Recht auf Unerreichbarkeit und Telearbeit werfen die gleichen Probleme auf, nämlich das Bedürfnis, Gruppen zu synchronisieren, und die Notwendigkeit, die Zwänge verschiedener sozialer Bereiche miteinander zu vereinbaren. Berufliche Neuorientierungen und Sabbaticals fallen in den Bereich der langen zeitlichen Dimension. Das Unternehmen ist zwar verpflichtet, die Ausbildung zu finanzieren, doch rein rechtlich gesehen schuldet es nicht mehr als den vertraglich vereinbarten bezahlten Urlaub. Der Beschäftigte kommt unabhängig von der Art seiner Beschäftigung vollständig für sein Sabbatical auf. Die gleiche Frage stellt sich auch bei der Weitergabe von Know-how, der Weiterbildung, den Berufswegen und ihren Unfällen. Welche Treue und welches Engagement? Befristete und unbefristete Beziehungen haben nicht die gleiche Bedeutung. Ebenso sind Beziehungen, die Anspruch auf Schutzrechte geben, nicht dasselbe wie rein kommerzielle Beziehungen. Hier geht es um eine Neugestaltung des Sozialvertrags zwischen Unternehmen und Einzelpersonen oder sogar der Organisationsmodelle: Plattform, Impact-Unternehmen, Genossenschaften, Vereine usw.

Eine der größten Herausforderungen des Planet-Teils ist die Vereinfachung des Handelns, um die Ziele der Dekarbonisierung unserer Lebensweise zu erreichen. Die Grundsätze des gesunden Menschenverstands sind ein Anfang. Das Handeln stößt oft auf eine durch das systemische Denken hervorgerufene Lähmung. Es geht aber auch um die Frage, ob das Kollektiv Vorrang vor dem Individuum hat. Es schien mir immer, dass die Grundprinzipien der nachhaltigen Architektur die der einheimischen Architektur zu übernehmen: nicht einfach irgendein Grundstück parzellieren, nach Bedarf bauen, Gebäude und Funktionen zusammenlegen, Öffnungen nach der Ausrichtung platzieren, mit lokalen Materialien bauen, vorhandene Ressourcen wiederverwenden usw. Das Thema der nachhaltigen Entwicklung ist zwar wesentlich umfassender, diese Komplexität macht diese Grundsätze jedoch nicht nichtig. Manche Architekten zeigen eindrucksvoll die Relevanz des Low-Cost-Ansatzes. In der Dienstleistungsarchitektur kann sich dies zum Beispiel in der Art und Weise niederschlagen, wie Gebäude gebildet werden, wie der Bedarf dimensioniert wird und schließlich wie die verschiedenen Funktionen positioniert werden.

Auch das durch das Thema der nachhaltigen Entwicklung hervorgerufene systemische Denken kann das Handeln blockieren. So kann ein Arbeitgeber dank der allgemeinen Verbreitung von Telearbeit das Flex Office umsetzen und die gemeinsame Nutzung von Arbeitsplätzen einführen. Dies verringert die benötigte Fläche und damit auch die CO2-Bilanz des Unternehmens. Worauf einige antworten werden: „Telearbeit schafft einen neuen CO2-Fußabdruck“ oder „Das ist nur ein Finanzprojekt“. Das Projekt zur Bewertung von Energieeinsparungen endet oft an diesem Punkt, angesichts der Komplexität der zu erwartenden Nebeneffekte. Dennoch sind die Energieeinsparungen, die das Unternehmen bei der Einführung des Flex Office erzielt, real. Und sie sollten zumindest die durch Verhaltensänderungen hervorgerufenen Ausgaben ausgleichen.

Die Frage nach der Messbarkeit ist zwar wichtig, verschleiert aber häufig die Tatsache, dass die eingeführten Maßnahmen zu Verzicht und Unannehmlichkeiten führen. Wenn wir unseren Energieverbrauch in Dienstleistungsgebäuden senken wollen, müssen wir nicht nur die Menge, sondern auch die Nutzung der Flächen optimieren. Die Idee wird zwar von allen unterstützt, die Akzeptanz ihrer Folgen jedoch weniger. Beim Flex Office ist es zum Beispiel nicht mehr stets möglich, dass alle gleichzeitig anwesend (oder abwesend) sind. Man muss sich entsprechend organisieren. Dies ist nur ein Beispiel von vielen, aber dieses ist besonders vielsagend, kommt häufig vor und hat bereits eine Reihe von Projekten zum Scheitern gebracht. In diesen nicht organisierten Situationen wird also doppelt verbraucht: am Ort der Telearbeit und in den Räumlichkeiten des Unternehmens, und das unter dem Vorwand, die persönliche Freiheit zu wahren.

Eine der größten Herausforderungen des Profit-Teils besteht darin, die verschiedenen Standpunkte miteinander zu versöhnen. Es geht nicht darum, einen gemeinsamen Sinn zu schaffen, sondern vielmehr darum, pragmatisch vorzugehen: indem in Nützliches statt in Überflüssiges investiert wird und indem die Auswirkungen der entwickelten Programme mit alternativen Indikatoren gemessen werden. Viele Menschen beschäftigen sich mit dem Metaversum.

Unter dem Gesichtspunkt leerer Büros und eines Mangels an Talenten: Warum nicht den Arbeitsplatz in die Cloud verlegen, um die besten Talente von überall auf der Welt anzuziehen? Voraussetzung ist natürlich, dass sie Zugang zu den Mega-Rechenzentren und -Telekommunikationsnetzen haben, die unsere Gebiete allmählich vernetzen. Unsere Entscheidungen wirken sich auf unsere unmittelbare Umgebung aus. Das Metaversum steigert den Bedarf an Rechenzentren, undurchsichtigen Gebäuden, die von ihrem Gebiet abgekoppelt sind und viel Energie verbrauchen. Sollte man deshalb aber immersive Technologien für die Arbeitsumgebung ablehnen? Zum jetzigen Zeitpunkt scheint mir die Augmented Reality eine Alternative zu sein, die Sinn machen könnte. Diese Technologien sind weniger verbrauchsintensiv, lokaler und menschlicher und scheinen nützlich zu sein, um Verbindungen zu schaffen, Teams zusammenzubringen oder auch die täglichen Geschäftstätigkeiten zu erleichtern. Diese Debatte zeigt, dass wirtschaftliche Indikatoren nicht die einzigen sein sollten, die bei Investitionsentscheidungen in Betracht gezogen werden. Weitere Kriterien sollten zum Tragen kommen, wie z. B. die Auswirkungen auf die lokalen Gemeinschaften oder die natürlichen Ressourcen. Im Kampf um die Talente bieten Labels wie Great Place to Work menschliche Indikatoren an. CSR-Berichte und viele andere Kennzeichnungen sollen das Handeln der Unternehmen belegen. Isoliert betrachtet mögen diese Aktionen nebensächlich erscheinen. Wenn sie jedoch strukturiert und mit dem Einsatz vertrauenswürdiger Systeme eingeführt werden, könnten wir eine Art Blockchain von Entwicklungsindizes schaffen und über die Wirtschaftsindikatoren hinausgehen.

Zusammenfassend finden Sie hier acht Vorschläge für ein wünschenswertes Arbeitsumfeld anhand des Dreifachkonzepts People, Planet, Profit. Für die Menschen geht es darum, die zeitlichen Dimensionen zu synchronisieren: den Alltag zu verankern, Zugehörigkeiten zu vereinbaren, Sozialverträge zu klären; für den Planeten, aktiv zu werden: mit Lösungen des gesunden Menschenverstands zu beginnen, Teilanfänge zu akzeptieren, Einzelinteressen zu überwinden; für den Profit, das Nützliche und Greifbare vorzuziehen, neue Indikatoren für die Auswirkungen zu entwickeln.

Erscheinungsdatum : September 2022

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