ProspeKtive

Wenn der Wartebereich unseren Eindruck prägt

November 2025

Die Experten

Dr Judith Partouche-Sebban

Dr Judith Partouche-Sebban

Professor für Marketing

Leiter des Lehrstuhls für Living Health

Dr Daniel Maar

Dr Daniel Maar

Außerordentlicher Professor für Marketing, Paris School of Business

Dr Gisele de Campos Ribeiro

Dr Gisele de Campos Ribeiro

Professorin für Marketing, Paris School of Business

Der Wartebereich wird oft als einfacher Ort des Durchgangs wahrgenommen, fast schon als banal. Er spielt jedoch eine viel wichtigere Rolle, als es den Anschein hat: Er beeinflusst die Gemütsverfassung der Patienten, ihren Stresslevel und sogar ihre Wahrnehmung der Qualität der Versorgung und der Einrichtung. Forschungen in den Bereichen Managementwissenschaften und Psychologie haben seit langem gezeigt, dass die physische Umgebung unsere Gefühle prägt (Bitner, 1992). Der Wartebereich, der erste konkrete Kontakt mit der medizinischen Welt, bildet keine Ausnahme von dieser Regel (DCunha et al., 2021). Beleuchtung, Komfort, Sitzanordnung, Umgebungsgeräusche ... all diese Details zusammen schaffen ein einzigartiges Erlebnis. Auf diese oft unterschätzte Rolle wollten wir uns konzentrieren. Zu diesem Zweck haben wir zwei aufeinanderfolgende Studien durchgeführt – eine qualitative und eine quantitative –, die zusätzliche Erkenntnisse darüber liefern, wie die Gestaltung eines Raumes das Patientenerlebnis beeinflusst.

Zunächst führten wir eine explorative qualitative Studie mit zwei Fokusgruppen durch: eine mit Krebspatienten, die andere mit Personen ohne besondere Krankengeschichte. Ziel war es, zu verstehen, wie jede Person den Warteraum wahrnimmt: Was beruhigt sie, was stört sie und was hinterlässt einen Eindruck bei ihnen? Dabei ergaben sich drei wesentliche Erkenntnisse. Erstens fungiert der Warteraum als Signal, das einen ersten Eindruck von der Qualität der bevorstehenden Interaktion, der Professionalität des Arztes und der Gastfreundlichkeit der Einrichtung vermittelt. Zweitens gelten, wie in der Literatur erwähnt (Bitner, 1992), bestimmte Kriterien als wesentlich für die Schaffung einer positiven Umgebung: Geruch, Temperatur, Beleuchtung, Sauberkeit und Komfort der Möbel, Dekoration, Musik, klare Beschilderung und praktische Ausstattung. Schließlich erkennen die Teilnehmer, dass der Warteraum die Interaktion zwischen den Patienten fördern kann, jedoch nur, wenn dies eine freiwillige Entscheidung bleibt. Zusammenfassend lassen sich zwei Dimensionen erkennen: der Warteraum als Signal für Freundlichkeit und Kompetenz und seine potenzielle Rolle als Ort der Interaktion. Diese beiden Punkte waren ausschlaggebend für die Gestaltung der quantitativen Phase.

Die zweite Studie wurde online mit 111 Teilnehmern (Durchschnittsalter 40 Jahre, 64 Frauen, 45 Männer, 2 nicht-binäre Personen, 81 % Hochschulabsolventen) durchgeführt, um in größerem Umfang die Auswirkungen der Sitzordnung auf das Patientenerlebnis und die Patientenzufriedenheit zu testen. Den Teilnehmern wurden zwei Szenarien vorgelegt: Sie sollten sich einen ersten Arztbesuch in einem Wartezimmer vorstellen, das entweder als interaktiv (Stühle stehen dicht beieinander und sind einander zugewandt, was Gespräche fördert) oder als nicht interaktiv (Stühle stehen weit auseinander und sind nach außen gerichtet, was die Privatsphäre fördert) beschrieben wurde. In dieser zweiten Phase konzentrierten wir uns auf zwei Schlüsselaspekte: Herzlichkeit (die beispielsweise durch Freundlichkeit zum Ausdruck kommt) und Kompetenz, die beide aus dem Stereotype Content Model (Fiske et al., 2002) abgeleitet wurden. Diese Aspekte traten in unserer ersten Studie deutlich zutage und werden in der Forschung zum Einfluss physischer Räume regelmäßig hervorgehoben (Liu et al., 2018).

Die Ergebnisse zeigen interessante Kontraste: Interaktive Räume werden als wärmer empfunden, aber nicht-interaktive Räume wirken kompetenter und sorgen letztendlich für eine größere Zufriedenheit. Im Folgenden werden die Ergebnisse mit dem Mittelwert (M) und der Standardabweichung (SD) dargestellt, um sowohl das Gesamtniveau als auch die Streuung der Antworten widerzuspiegeln. In Bezug auf die wahrgenommene Wärme hat der interaktive Raum einen klaren Vorteil (M = 4,72; SD = 1,65) gegenüber dem nicht-interaktiven Raum (M = 3,72; SD = 1,80). Die Teilnehmer beschreiben die Atmosphäre als freundlicher und einladender, wenn der Raum zur Interaktion anregt. Bei der Kompetenz ist das Gegenteil der Fall: Der nicht-interaktive Raum wird positiver bewertet (M = 5,25; SD = 1,44) als der interaktive Raum (M = 4,59; SD = 1,79). Die nüchterne und distanzierte Gestaltung scheint daher ein Signal für Seriosität und Professionalität zu senden. Schließlich ist auch die Gesamtzufriedenheit für den nicht-interaktiven Raum (M = 5,20; SD = 1,62) höher als für den interaktiven Raum (M = 4,37; SD = 1,77). Privatsphäre und Ruhe scheinen mehr Gewicht zu haben als Geselligkeit, wenn es darum geht, sich in einen medizinischen Kontext zu versetzen.

Durchschnittswerte (M) und Standardabweichungen (SD) für die wahrgenommene Herzlichkeit, die wahrgenommene Kompetenz und die Gesamtzufriedenheit je nach Gestaltung des Wartezimmers (interaktiver vs. nicht-interaktiver Raum).

Aber damit ist die Geschichte noch nicht zu Ende. Qualitative Interviews hatten bereits darauf hingedeutet, dass die Persönlichkeit der Patienten eine Rolle dabei spielte, ob sie in Wartezimmern interagieren wollten oder nicht. Wir haben diese Dimension daher in die quantitative Studie einbezogen, indem wir die Extraversion gemessen haben (McCrae & Costa, 1999). Die Ergebnisse sind eindeutig: Extrovertiertere Personen schätzen interaktive Räume mehr („Mit seinem Nachbarn im Wartezimmer zu sprechen, kann auch gut für einen selbst sein, es kann gut für den Patienten sein; nicht so allein zu sein, hängt von der Persönlichkeit jedes Einzelnen ab”), während sich introvertiertere Personen dort weniger wohl fühlen („Ich kann es nicht ertragen, mit Menschen, die ich nicht kenne, in einem Wartezimmer zu sitzen und mich beobachtet zu fühlen”). Derselbe Raum kann daher je nach Person gegensätzliche Reaktionen hervorrufen. Es gibt also keine universelle „ideale“ Konfiguration: Alles hängt von der Art des Patienten und seinen Bedürfnissen ab, was für flexiblere und anpassungsfähigere Designs spricht.

Insgesamt unterstreichen diese Ergebnisse die Bedeutung von Designentscheidungen, selbst in Räumen, die oft als zweitrangig angesehen werden. Ein Wartezimmer ist nicht nur eine Kulisse: Es sendet ein starkes Signal aus, das Vertrauen, Wärme oder Kompetenz vermitteln kann – jedoch selten alles gleichzeitig. Es kann auch zu einem Ort der Interaktion werden, vorausgesetzt, dass dies optional bleibt, da nicht alle Patienten den gleichen Wunsch nach Interaktion haben. Es gibt daher keine universelle ideale Konfiguration. Die eigentliche Herausforderung besteht darin, ein subtiles Gleichgewicht zu finden, um flexiblere und anpassungsfähigere Warteräume anzubieten, die auf eine Vielzahl von Profilen und Bedürfnissen eingehen können.

 

Referenzen

Bitner, M. J. (1992). Servicescapes: Der Einfluss der physischen Umgebung auf Kunden und Mitarbeiter. Journal of Marketing, 56(2), 57-71.

DCunha, S., Suresh, S., & Kumar, V. (2021). Servicequalität im Gesundheitswesen: Untersuchung der Servicescape und der Wahrnehmung der Patienten. International Journal of Healthcare Management.

Fiske, S. T., Cuddy, A. J. C., Glick, P. und Xu, J. (2002). Ein Modell (oft gemischter) Stereotypeninhalte: Kompetenz und Herzlichkeit ergeben sich jeweils aus dem wahrgenommenen Status und der wahrgenommenen Konkurrenz. Journal of Personality and Social Psychology, 82(6), 878–902.

Liu, S. Q., Bogicevic, V., & Mattila, A. S. (2018). Zirkuläre vs. eckige Dienstleistungslandschaft: „Gestaltung” der Kundenreaktion auf ein schnelles Tempo bei der Dienstleistungserbringung. Journal of Business Research, 89, 47-56.

McCrae, R. R., & Costa Jr, P. T. (1999). Eine Fünf-Faktoren-Theorie der Persönlichkeit. Handbuch der Persönlichkeit: Theorie und Forschung, 2(1999), 139-153.

Erscheinungsdatum : November 2025

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Eléonore Pigalle

Doktorin in Städtebau und Raumplanung
Assoziierte Forscherin am Laboratorium Ville Mobilité Transport der Universität Gustave Eiffel und der Ecole des Points ParisTech

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Journalist mit Fachkenntnissen im Bereich Kommunalverwaltung